Unter dem Titel PLS präsentiert die in Berlin lebende Künstlerin und Modedesignerin Tamika Ostarek ihre Arbeiten, die vorwiegend aus zerlegten Illustrationen bestehen, die zunächst dekonstruiert wurden, um anschließend die einzelnen Bildelemente wiederum anzuordnen und somit ein neues Ganzes zu schaffen. Als Quelle für ihre Motive dienen der Künstlerin insbesondere Darstellungen schwarzer Menschen, häufig Frauen, aber auch berühmte Persönlichkeiten wie Martin Luther King oder Malcolm X sowie Ikonen wie Nofretete oder Naomi Campbell. Erwartungsgemäß sind weder das Ausgangsmaterial noch die daraus resultierenden Werke willkürlich zusammengestellt. Auch wenn Ostarek sich selbst nicht primär als politische Persönlichkeit oder gar Aktivistin versteht, so sind ihre Arbeiten doch in einem politischen sowie gesellschaftlichen Diskurs zu verorten. Das Akronym PLS, welches für „Peace, Love and Sunshine“ steht, mag dabei zunächst banal, nahezu naiv klingen, doch sind es Kontext sowie Intention des Projekts keineswegs.
Geboren und aufgewachsen in einer fränkischen Kleinstadt, hat die Künstlerin mit jamaikanisch- puertorikanischen Wurzeln schon früh persönliche Erfahrungen mit Diskriminierung und Rassismus gemacht, die sich bis heute immer wieder in den Alltag einschleichen können. In ihrem Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen – aber wissen sollten“ beschreibt die Journalistin und Podcasterin Alice Hasters die politische Aktualität von Rassismus in Deutschland anhand persönlicher Erfahrungen und wie der Rassismus im Kleinen, mit dem Rassismus im Großen zusammenhängt. Ob wir wollen oder nicht, stellt Hasters auch in einem Beitrag für den Deutschlandfunk fest, Rassismus ist in unserer Geschichte, unserer Kultur und unserer Sprache so tief verankert, dass wir gar nicht anders können, als in unserer heutigen Welt rassistische Denkmuster zu entwickeln. Als Beispiele führt die Autorin kleine Momente an, die wie „Mückenstiche“ wirken, doch in der Summe schmerzen. Rassismus, der auf den ersten Blick vielleicht harmlos wirken mag und eben doch tiefgreifende Wirkung hat. Und diese persönlichen Erfahrungen sind auch Ostarek nur zu gut bekannt. Von Situationen, in denen ungefragt die Haare angefasst werden, über Diskriminierungen in der Schule und am Arbeitsplatz, bis hin zu Beleidigungen und Bedrohungen gehören rassistische Erfahrungen zur Lebensrealität der Künstlerin. So war es die Tötung von George Floyd im Mai 2020, die darauffolgende Berichterstattung sowie die intensive Auseinandersetzung mit dieser, die im Zusammenspiel mit den persönlichen Erlebnissen den auschlaggebenden Impuls für die aktuelle Serie gab.
Wenngleich die zugrundeliegenden Bewegründe negative sind, sind Ostareks Arbeiten Ausdruck von Optimismus und Lebensfreude. Mal eher abstrakt, mal ganz plakativ zelebrieren die Werke schwarze Geschichte, Kultur, Schönheit und Identität. Im Fokus zumeist die Ästhetik des schwarzen Körpers, die immer wieder durch subtile Symbolik, welche oftmals erst auf den zweiten Blick sichtbar wird, ergänzt wird und dann doch die großen gesellschaftlichen Themen berührt, wie etwa in der Arbeit Martin & X. So lässt sich Ostareks Serie, angelehnt an Stuart Hall, Begründer und Hauptvertreter der Cultural Studies sowie Mitinitiator des Black Arts Movement, in den Kontext der Black Popular Culture setzen, indem ihre Werke, vom Körper über kulturelle und künstlerische Ausdrucksformen bis hin zu Narrativen und Expressivität, „black repertoire“ als immanenten Bestandteil aufweisen. Und damit trifft das Werk auf einen Zeitgeist, der sich bereits seit einigen Jahren abzeichnet und etwa von dem Kritiker, Kurator und Autor Antwaun Sargent in seinem Buch The New Black Vanguard: Photography Between Art and Fashion aufgegriffen wird. Sargent, der in seinem Buch die Arbeiten von aufstrebenden und etablierten schwarzen Fotografinnen und Fotografen präsentiert, spricht von einem systemischen Wandel sowie einer „schwarzen Renaissance in der Kunstproduktion“. Exemplarisch steht hierfür die Neuorientierung in der Fotografie, insbesondere in der Modebranche, die Ostareks Arbeiten durch die Zweckentfremdung von Illustrationen aus eben jenen Modemagazinen, wenn vielleicht auch nicht kalkuliert, dennoch indirekt beeinflussen dürften.
Talentierte und inzwischen etablierte Künstlerinnen und Künstler wie etwa Tyler Mitchell, der mit dem Buch I Can Make You Feel Good eine flirrende Utopie schwarzen Lebens visualisiert hat und zudem mit seinem Beyoncé-Porträt im September 2018 der erste schwarze Fotograf in der damals 126-jährigen Geschichte der Vogue war, dessen Foto auf dem Cover der Zeitschrift abgebildet wurde, bilden eine neue, einflussreiche Generation, die sich für mehr Repräsentation vor und hinter der Kamera engagiert. Hierzu gehören auch, um nur einige zu nennen, Campbell Addy, Namsa Leuba, Joshua Woods, Ronan McKenzie, Ruth Ossai, David Uzochukwu, Zanele Muholi oder die in London geborene Fotografin Nadine Ijewere, die mit ihrer aktuellen Ausstellung Beautiful Disruption noch bis Anfang September eine Reihe an Arbeiten im C/O Berlin zeigt, die von der nigerianisch-jamaikanischen Herkunft ihrer Eltern geprägt sind und sich intensiv mit Themen wie Identität und Diversität auseinandersetzen. Es sind diese Ideen von Identität, Diversität und Herkunft, die eng mit schwarzen Perspektiven, Kultur und insbesondere Ästhetik verflochten sind und sich gleichermaßen in Ostareks Werken wiederfinden lassen, welche somit einen Gegenentwurf zu eurozentristischen Normen bieten und selbstbewusst ihren Platz in Kunst und Kultur beanspruchen.